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Reise ans Ende der Nacht
Ein Dokumentarfilmprojekt von Frank Matter, CH 2025
«Reise ans Ende der Nacht» erzählt Geschichten aus einer imaginären Nacht. In fast allen Kulturen steht die Nacht für das Ursprüngliche, Unheimliche, Unkontrollierbare, für das Böse, Irrationale und Leidenschaftliche. Schon das Wort Aufklärung verdeutlicht, dass nur wer die Dunkelheit verjagt zu Wissen und Vernunft gelangen kann.
«Reise ans Ende der Nacht» spielt in einer namenlosen Stadt und folgt den Spuren verschiedenster Menschen. Manchen begegnen wir im Laufe der Nacht mehrmals, andere erscheinen nur kurz und verschwinden dann wieder wie Sternschnuppen im Dunkel des Nachthimmels. Flüchtige Augenblicke wechseln mit längeren Szenen. Zwischendurch verliert die Kamera ihren erzählerischen Fokus und lässt sich treiben, durch leere Strassen, tanzende Clubbesucher:innen, Geisterbahnen oder Phantasmagorien. Da die Dunkelheit die klare Logik des Tages verwischt, verliert selbst die Zeit ihre scharfen Konturen: Die Nacht wird zu einem ganzen Jahr und metaphorisch zu einer ganzen Lebensspanne.
Der Film bedient sich sowohl dokumentarischer wie auch essayistischer und fiktiver Mittel. Die Rhythmen, das Spiel des Lichts, Bewegung und Energie sind für die Erzählung ebenso wichtig wie Worte und Gedanken. Der Film ist eine Ode an die Nacht und zugleich eine Meditation über das moderne Leben zwischen Vernunft und Unvernunft, Kontrolle und Ausbruch, Sehnsucht und Enttäuschung, eine manchmal ekstatische, dann wieder melancholische Hommage an die Conditio Humana an der Schwelle zum Zeitalter der Artificial Intelligence.
Produktion: RecycledTv AG und soap factory GmbH
Buch, Regie: Frank Matter

Vom Punk in die Zukunft
Ein Dokumentarfilmprojekt von Steff Bossert, CH 2024
Reverend Beat-Man, Underground-Musiker, Kultfigur und Bürgerschreck, ist eine lebende Legende. Seit bald 40 Jahren ist der Reverend an Festivals, in Rock-Clubs und schummrigen Kellern unterwegs, auch weit über die Schweizer Grenzen hinaus. Seit anfangs 90er Jahren führt er zudem das Plattenlabel Voodoo Rhythm Records, mit dem er ein einmaliges Stück Schweizer Musik- und Sozialgeschichte schrieb. «Records to ruin every party» lautet das schräge Motto.
Im Jahr 2014 besucht ein kleiner Junge mit seinem Vater ein Konzert von Beat-Man. Die laute, punkige Musik und der exzentrische Bühnenauftritt erschrecken den Buben – das Konzert ist für ihn aber auch ein prägendes Erlebnis. Fast Forward in die Gegenwart: Aus Milan, dem Jungen von damals, ist ein junger Mann geworden, der selber Musiker werden möchte. Er nimmt seinen Mut zusammen, geht in Beat-Mans Plattenladen und fragt den Reverend, ob er mit ihm spielen darf. Nach anfänglichem Zögern lässt sich Beat-Man auf Milan ein – und bald schon gehen sie miteinander auf Tour, der alte Kämpe und der junge Mann, der noch auf der Suche nach sich selbst ist. Beat-Man ist auch einverstanden, dass Milan bei Voodoo Rhythm einsteigt, um dort seine Ideen einzubringen. Was bewegt einen jungen Menschen dazu, sich in einer Zeit der glatten und kurzatmigen, auf Erfolg und Selbstoptimierung getrimmten Spotify- und Insta-Klickkultur der kantigen Szene um Voodoo Rhythm zuzuwenden? Doch Milan ist neugierig und will noch mehr ausprobieren. Während er bei Voodoo Rhythm anfängt, arbeitet er mit der jungen Finja Keogh an feinsinnigen Popsongs und geht mit dem viel kommerzieller ausgerichteten Birdman Jäggi auf Tournee.
«Vom Punk in die Zukunft» erzählt anhand von berührenden, Generationen übergreifenden Begegnungen über die grossen Veränderungen im Kulturbetrieb und das Ringen um eine eigene künstlerischen Position in einer unübersichtlichen Zeit. Indem der Film Beat-Mans Geschichte und das Vermächtnis der Berner Jugendbewegung der 80er Jahre den Zweifeln und Konflikten ganz junger Musiker*innen gegenüberstellt, geht er der Frage auf den Grund, was von kulturellen und politischen Bewegungen vergeht und was in der Arbeit späterer Generationen weiterlebt.
Produktion: soap factory GmbH
Buch, Regie: Steff Bossert

Becoming Vulnerable
Ein Dokumentarfilmprojekt von Gregor Brändli und Deneth Piumakshi Wedaarachchige, CH 2024
Zwischen 1883 und 1903 reisten die Cousins Paul und Fritz Sarasin als Freundes- und Liebespaar für ihre Naturforschungen durch die britischen und niederländischen Kolonien Asiens. Die beiden transportierten nicht nur den ersten Elefanten in den damals noch jungen Basler Zoologischen Garten, sie brachten auch unzählige Artefakte, Fotografien und Schädel aus den damaligen Kolonien mit, unter anderem solche aus der Kultur der Adivasi, einer indigenen Volksgruppe Sri Lankas.
Die sri-lankische Künstlerin Deneth Piumakshi Wedaarachchige durfte 2019 bei Recherchen im Naturhistorischen Museum Basel einen Schädel der Adivasi in die Hände nehmen. Dieser Moment hat sie zutiefst geprägt. Auf der Suche nach lebenden Nachfahren des Menschen, dessen Überreste im Basler Museum liegen, reiste Deneth 136 Jahre nach Paul und Fritz Sarasin deren gesamte Route durch Sri Lanka nach und traf tatsächlich auf direkte Nachfahren der von den Basler Vettern erforschten Adivasi-Gruppe. Deneth Piumakshi Wedaarachchige versucht seither, zu verschieden Basler Kulturinstitutionen einen Kontakt aufzubauen und sich gemeinsam mit Mitgliedern der Adivasi-Community für die Rückführung ihres in Basel gelagerten Kulturgutes einzusetzen.
«Becoming vulnerable» geht den Basler Verstrickungen in den Kolonialismus und Fragen der Restitution nach. Der Film erzählt die Vergangenheit und die Gegenwart aus vielfältigen Perspektiven.
Produktion: soap factory GmbH, Basel
Buch: Gregor Brändli und Deneth Piumakshi Wedaarachchige
Regie: Gregor Brändli

QUIR
Ein Dokumentarfilmprojekt von Nicola Bellucci, CH 2024
Es gibt einen Laden in Palermo, der anders ist als alle anderen. Ein Ort der Liebe ausserhalb jeglicher Konvention. Die Besitzer des kleinen Lederwarengeschäfts heissen Massimo und Gino. Sie ist 65, ein Tranvestit, er 73. Seit 42 Jahren sind sie ein Paar. 42 Jahre Liebe und politischer Kampf. Das langlebigste schwule Paar Italiens. 1980 haben sie die erste Sektion von Arcigay, der grössten italienischen Schwulenorganisation, gegründet. In Palermo, zur Zeit der Mafiakriege, die über tausend Tote forderten, in Sizilien, einem Hort der patriarchalischen Kultur. Wie haben sie das gemacht?
Sich die Akzeptanz zu erarbeiten, war nicht einfach. Heute ist der Laden ein wichtiger Treffpunkt, auch über die LGBTQI+-Szene hinaus. Und seit bekannt geworden ist, dass Gino und Massimo heiraten wollen und ein grosses Fest vorbereiten, herrscht erst recht ein Kommen und Gehen.
«Unsere Hochzeit ist ebenso überflüssig wie absolut notwendig», sagen die beiden. «Aber die sind doch bereits verheiratet», wundern sich hingegen alte Bekannte. Tatsächlich haben Massimo und Gino 1993 schon einmal Hochzeit gefeiert, als erstes schwules Paar Italiens. Doch es war ein reiner Akt der Rebellion, rechtsgültig konnten Schwule damals nicht heiraten. Das hat sich geändert: Dieses Mal werden sich die beiden «richtig» das Jawort geben. Die Zeremonie wird im sizilianischen Dörfchen Giarre stattfinden, im Gedenken an Giorgio und Toni, ein junges Liebespaar, das dort vor 40 Jahren ermordet wurde. Es war der italienische Stonewall-Moment: Die Empörung über dieses Verbrechen gab der Bewegung zur Befreiung der Homosexuellen viel Auftrieb. Und sie war der Beginn von Massimos und Ginos Liebesgeschichte.
Während die Hochzeitsvorbereitungen laufen, lernen wir einige der Menschen kennen, die Massimos und Ginos Laden frequentieren. Zum Beispiel Ana und Alessandra, ein Liebespaar, das zusammen ein Kind hat, das im Reagenzglas gezeugt wurde. Alessandra ist dabei, ein Mann zu werden. Oder Ernesto, die Königin der Drag Queens, der an der Hochzeit von Gino und Massimo als «Brautjungfer» singen wird. Er hat Mühe, einen Partner zu finden, weil seine uralte Mutter alle aus dem Haus jagt. Und schliesslich Charlie, 87 und ex-Gigolo, der immer noch hungrig nach Liebe ist.
Produktion: soap factory GmbH, Basel
Buch, Regie: Nicola Bellucci